Mittwoch, 30. Juni 2010

Gedanken eines Mitmenschen

Hallo zusammen,

den folgenden Artikel habe ich aus dem Blog "Holler and Scream" (www.hollerandscream.com) von John Trujillo entnommen, und er hat mir so gut gefallen, dass ich ihn ins Deutsche übersetzt und mit Johns Erlaubnis hier wiedergegeben habe:

Ich lief an diesem Morgen früh den Waikiki Beach entlang. Nicht auf dem Sand… auf den Bürgersteigen und unasphaltierten Wegen, die sich am Stand in Richtung Diamond Head entlangziehen. Ich lief barfuß, wie ich es immer tue, und genoss das tropische Klima am frühen Morgen. Nicht zu heiß, nicht zu kalt. Nicht zu trocken, nicht zu feucht. Ich war inmitten von Palmen, die sich träge im Passatwind wiegten, von sattem, üppigem Grün und dem glitzernden Wasser des Pazifischen Ozeans. Ich begann zu verstehen, warum diese Gegend das Paradies genannt wird.
Jenseits der Strandpromenade mit den hoch aufschießenden Hotels rannte ich durch einen kleinen Park, wo eine Gruppe von vielleicht vierzig oder fünfzig Leuten im Kreis saß. Es war ein Treffen der Anonymen Alkoholiker. Ich konnte nicht anders als zu denken: Wenn du schon zu einem Treffen der AA gehen musst, dann gibt es schlechtere Orte dafür als in einem malerischen Park zu sitzen und auf das grünblaue Wasser der Mamala Bay zu schauen.
Ich schnitt das Ende des Parks, überquerte die Kalakaua Avenue und begann meine Schleife um den Kapiolani Park. Ich fing mir die üblichen seltsamen Blicke anderer Läufer ein, die meine bloßen Füße sahen und sich wahrscheinlich fragten, ob ich wirklich ein Läufer sei oder nur ein armer Obdachloser, der mit dem Hörnchen davonläuft, das er bei Starbucks geklaut hat. Aber ich habe mich an diese Blicke gewöhnt, und die Wahrheit ist, dass sie mich nie wirklich gestört haben, selbst dann nicht, als Barfußlaufen für mich noch neu war.
Ich habe mir aber zunehmend Sorge darum gemacht, dass der glatt asphaltierte Weg schnell rau und steinig wurde. Meine Füße hatten etwas Hornhaut bekommen und waren ledrig geworden, seit ich die Verletzungen hervorrufenden Apparate, gemeinhin als Laufschuhe bekannt, aufgegeben habe. Dies macht es ziemlich leicht, auf gepflasterten Straßen und Gehwegen barfuß zu laufen. Die nur grob gepflasterten Wege und steinigen Pfade jedoch, wie der, auf dem ich mich plötzlich wiederfand, geben mir immer noch das Gefühl, auf heißen Glasscherben zu laufen. Ich passte meine Schritte an – schnelleres, leichteres Aufsetzen des Fußes, die Knie höher heben – und lief weiter. Dann schlug ich auf, oder  vielmehr, ich landete direkt darauf. Ein spitzer Stein von der Größe einer Faust und in der Form eines Kreissägeblatts. Ein scharfer, stechender Schmerz schoss in meinen Fuß. In einem Sekundenbruchteil verlangsamten Elends fühlte ich den Schmerz; er begann auf der Haut, drang in die Muskeln meines Fußes ein und durchstach meine Blutgefäße. Dann, wie das Gift einer Schlange, schoss es einen Nerv in meiner Wade hinauf, in mein Knie und meinen Oberschenkel. In dem gleichen Sekundenbruchteil nahm ich war, wie mein Fuß das tat, was jeder Barfußläufer von seinem Fuß erwarten sollte. Er faltete sich instinktiv um das scharfe Ende des Steins herum und rollte sich ein. Dadurch verhinderte er, dass die Haut verletzt wurde. Und einfach so, nach zwei oder drei weiteren Schritten, war der Schmerz verschwunden und ich joggte wieder glücklich im Paradies herum.
Ich war erstaunt von der Fähigkeit des Körpers, Schmerzen auszuhalten und sich einfach weiterzubewegen und dachte an andere Barfußläufe, welche diese Einsicht bestätigen konnten. Die durchbohrende Kälte eines eisbedeckten Gehwegs, die brennende Hitze einer Wüstenstraße, der raue Stahl eines buckeligen Kanaldeckels, der spitze Stich eines dornigen Zweigs. Ich bin auf all dies draufgetreten und bin einfach weitergelaufen. Jedes Mal fühlte ich Schmerz, aber nicht genug, um mich zu stoppen. Und der Schmerz hat nicht einmal angehalten, zumindest nicht länger als einen Tag oder zwei… oder drei. Ich habe sogar gelernt, das Gefühl von Schmerz zu genießen. Es gibt mir das Gefühl, völlig lebendig in dieser Welt zu stehen. Ja, es tut weh, aber ich bin da draußen und tue es. Lebe es. Erfahre es.
Und es hat mich zum Nachdenken gebracht. Lebe ich so, wie ich laufe? Tut das irgendjemand? Ich versuchte noch einmal, mich in der tropischen Umgebung zu verlieren, aber die Frage beschäftigte mich länger als der Schmerz durch den Stein. Wie viele von uns leben ihr Leben tatsächlich? Oder, genauer, leben es nicht? Denn, wenn wir wirklich darüber nachdenken, einmal wirklich hinschauten, würden wir dann nicht herausfinden, dass viele von uns nicht rausgehen und nach dem Schmerz und nach der Heiterkeit des Lebens suchen, sondern versuchen, sich davor zu schützen?
Ich rede nicht bloß darüber, beim Joggen Schuhe zutragen. Ich spreche darüber, wie wir uns von den wahren Erfahrungen des Lebens isolieren.
Wir wehren uns so gegen das kleinste Unbehagen, dass wir die Klimaanlage einschalten, wenn es ein bisschen heiß ist und die Heizung, wenn es noch gar nicht richtig kalt ist.  Wir nehmen Fernsehsendungen auf, um die Werbung zu vermeiden. Wir zahlen drauf, um erster Klasse zu fliegen. Beeilen uns, um die Ersten in der Schlange zu sein. Beschweren uns, wenn die Bedienung zu langsam ist. Fühlen uns gehetzt, wenn die Bedienung zu schnell ist. Wir schützen uns vor Regen, ziehen die Gardinen zu, um das Licht auszusperren. Wetteifern um den nächsten Parkplatz. Und wenn es nur um diese Kleinigkeiten ginge, wäre es ja gar nicht so schlimm. Die Frage ist, ob wir bei den wichtigeren Lebensthemen ebenfalls derart auf Sicherheit spielen.
Geben wir uns möglicherweise mit etwas Mittelmäßigem zufrieden, das uns nicht belohnt, aber auch keine Aufmerksamkeit auf uns lenkt, um uns vor dem Schmerz eines Jobverlusts zu schützen? Opfern wir unsere innersten Leidenschaften, weil wir uns mehr Sorgen darum machen, wie wir aussehen, wenn wir scheitern, anstatt daran zu denken, wie befriedigend es sein könnte, wenn wir Erfolg hätten? Vermeiden wir Risiken, so dass wir niemals eine demütigende Niederlage erleiden müssen? Oder schlucken wir unsere wahren Gefühle von Liebe herunter, damit wir niemals eine peinliche Zurückweisung erfahren müssen?
Kaufen wir möglicherweise teurere Autos, als wir uns leisten können und größere Häuser, als wir brauchen, um dem brennenden Urteil anderer zu entfliehen? Erzählen wir kleine Notlügen, damit niemand merkt, dass auch wir unsicher, einsam oder ängstlich sein könnten, dass uns niemand akzeptiert? Unterdrücken wir das Gefühl, dass wir eventuell unser wahres, authentisches Selbst opfern, um einem Lebensstandard gerecht zu werden, der herzlich wenig mit wirklichem Leben zu tun hat?
Ich würde sagen, dass unsere Leben so strukturiert sind, dass das Leben einfacher wird, weniger schmerzhaft, weniger konfrontierend, mit weniger Gefühl behaftet. Wir schnitzen an dem herum, was wir wirklich sind, um eine öffentliche Persona zu formen, welche wir als passend erachten. Wir vermeiden es, anders zu sein. Vermeiden Unbehagen. Entfliehen dem Urteil anderer. Wollen akzeptiert werden. Aber wie viel verpassen wir, wenn wir unser tiefstes, wahrstes Selbst verstecken, um zu verhindern, dass wir verletzt werden, Schmerz fühlen oder gar das Leben erfahren? Könnte das der Grund sein, warum so viele von uns sich unerfüllt fühlen? Oder warum am Ende des Lebens so viele Menschen sich verzweifelt eine Chance wünschen, noch einmal von vorne anzufangen… anders?
Als der Schmerz des sägeblattförmigen Steins zurückkam und ich fühlen konnte, wie sich ein empfindlicher, grünbrauner Bluterguss bildete, wurde mir klar, dass ich und wahrscheinlich viele andere, die so sind wie ich, zu viel Aufwand betreiben, um uns zu betäuben, dass wir vielleicht gar nicht richtig leben. Und ja, vielleicht gehen wir im Leben den Steinen, dem Eis und den Dornen aus dem Weg, aber wir verpassen auch das Hochgefühl des Barfußlaufens auf feuchtem Gras, die inspirierende Freude nackter Zehen, die durch Matsch patschen und in Pfützen planschen, die berauschende Freiheit, wie ein schuhloses Kind durch die Straßen zu rennen, grenzenlos, befreit und rücksichtslos exponiert.
Ich lief zurück zum Park am Wasser, genau rechtzeitig, um zu sehen, wie sich das AA-Treffen auflöste. Die Menschen kamen auf mich zu, und zwischen den zerschrammten, kaputten, fertigen und geschlagenen Seelen sah ich Mütter und Väter. Ich sah Frauen, die man mit Fortune 500 Geschäftsführerinnen verwechseln könnte, Männer, die auch Models hätten sein können. Ich sah Bauarbeiter und Athleten. Ich sah reiche Prominente und obdachlose Veteranen. Mir wurde klar, dass die Menschen, die ich dort sah, aus allen Bereichen des Lebens stammten und sich aus einem einzigen Grund trafen. Um zu leben, um wahrhaft und in vollem Umfang zu leben. Dies sind Leute, die einmal jede Anstrengung unternahmen, um sich mit Alkohol und Drogen zu betäuben, damit sie nicht leben mussten. Sie kämpfen so hart, das Leben nicht fühlen zu müssen, dass sie dabei beinahe ihr Leben verloren hätten. Sie sind die extremste Verkörperung dessen, wie die meisten Menschen leben… sie versuchten, den Schmerz zu betäuben, weichen Verletzungen aus, neutralisieren ihre Gefühle. Und jetzt, nachdem sie unten aufgeschlagen sind, sind sie genau die Menschen, an denen wir uns ein Beispiel nehmen sollten. Weil sie die Menschen sind, die, nachdem sie unvorstellbar furchtbare Erfahrungen überlebt haben, herausgefunden haben, dass das Leben es wert ist, gelebt zu werden… ganz und gar. Dass es bessere Anpassungsmechanismen an das Leben gibt als zu versuchen, uns zu sedieren. Ja, das Leben kann tatsächlich rau, schmerzhaft, schmuddelig und frustrierend sein, und ja, wir könnten fallen, uns verletzen, scheitern und noch mal scheiter – aber genau dort ist auch die Lebensfreude zu finden. Im Leben… im Erfahren… im Fühlen. Die Menschen, die dort das Treffen der AA verlassen… und so viele genau wie sie… kämpfen darum, sich nicht länger vor dem Leben zu verstecken, sondern ihm von Ansicht zu Ansicht gegenüberzutreten. Sie verpflichten sich dazu, einander und sich selbst, dass was immer auch komme, sie ihm nüchtern entgegentreten werden. Sie werden den scharfen Schmerz eines jeden Steins fühlen, den beißenden Frost jeder Eisdecke, den demütigenden Rückschlag eines jeden Scheiterns, die Verzweiflung, wenn ihr Herz gebrochen wird oder sie eine Liebe verlieren. Sie haben beschlossen, dass sie lieber ihre pathetischsten Schwächen ans Tageslicht bringen anstatt ihre wahre Natur hinter einer gefälligen, sozialkonformen Maske zu verbergen. Sie gestatten es jedem Menschen, einen Sitz in der ersten Reihe einzunehmen und ihnen zuzuschauen, wenn sie Risiken eingehen und flach aufs Gesicht fallen, es sich aufschürfen, gebrochen sind. Und während sie dies tun, passiert etwas Erstaunliches. Sie erfahren das wahre Leben, voll und ganz. Sie mögen verletzt oder peinlich berührt sein oder werden lächerlich gemacht , vielleicht werden sie auch ausgelacht und niedergemacht. Sie könnten fallen und straucheln, durcheinander geraten und sogar scheitern. Aber sie werden auch feiern und umarmen, jubeln und triumphieren. Sie werden fühlen, erfahren, hoch aufsteigen und das Leben genießen.
Kurz gefasst werden sie leben. Und lassen wir einmal den Lohn, das Gehalt, die Luxusautos, die Designerkleidung, die Upgrades in die erste Klasse, die Klimaanlage und die kleinen Notlügen beiseite… ist es nicht das, wofür wir alle hergekommen sind? Ist da nicht eine Lektion für alle von uns enthalten? Könnte eine einfache Anpassung, ein Wechsel der Sichtweise und wenn wir das Leben aus einer etwas anderen Perspektive betrachteten nicht einen riesigen Unterschied ausmachen? Was würde passieren, wenn, …, wirklich, wie fürchterlich könnte es werden… wenn wir die Fesseln von Angst, Unbehaglichkeit, Schmerz und Peinlichkeit abwerfen und wirklich voll und ganz unser Leben leben könnten? Wenn wir, anstatt uns dafür zu entscheiden, uns zu betäuben, unser wahres Selbst im Namen der Billigung durch andere zu opfern… wenn wir uns dafür entscheiden könnten, offen, verletzlich und einladend zu leben, mit weit offenen Armen, suchend, mit den Armen rudernd, winkend?
Ich sage: Rennen Sie barfuß. Treten sie auf die Steine. Singen Sie auf der Straße. Tanzen Sie im Fahrstuhl. Rollen Sie sich im Schnee. Küssen Sie das Mädchen. Umarmen Sie den Obdachlosen. Fahren Sie den verrosteten VW. Malen Sie ein Meisterwerk. Halten Sie sich nicht länger im Zaum. Tragen Sie das Karoshirt mit der Karohose. Sein Sie glücklich. Riskieren Sie es. Suchen Sie das Risiko förmlich. Folgen Sie Ihrer Leidenschaft. Fühlen Sie die Scham. Fallen sie aufs Gesicht. Lassen Sie andere über sich lachen.
Leben Sie nicht das Leben, das andere gerne an Ihnen sehen würden. Leben Sie nicht das sichere Leben, das frei von Schmerz und Unbehagen ist. Leben Sie kein Leben, das Akzeptanz durch andere sucht. Leben Sie stattdessen das Leben, das Sie sich trauen würden zu leben wenn Sie es sich nur vorstellen könnten. Sie können es nämlich. Menschen tun das täglich. Und das, egal wo Sie dann beschließen zu leben, ist das wahre Paradies.

Diese Gedanken haben mir gut gefallen; ich bin nicht der Meinung, dass wir hier sind, um zu leiden, aber wir sind definitiv hier, um zu leben.

Eine gute Zeit!
Ihre und Eure Georgia Fröhling

Sonntag, 20. Juni 2010

Der Krimi


Guten Abend zusammen!

Wisst Ihr, was das da links ist?

Ja, genau.

Der Krimi.

Und jetzt wisst Ihr gleichzeitig, warum ich Wochen und Monate keinen Blogbeitrag mehr geschrieben habe. Ok, ich hatte zu tun, habe gearbeitet, ein paar verstreute Patienten behandelt, das Übliche eben. Und ich habe den Krimi zuende korrigiert, ganze dreimal.

Nicht, dass er fertig wäre (ich warte ja schon auf den Aufschrei) :-)

Allerdings werde ich ihn jetzt aus der Hand geben; mein literarisches Kind... fühlt sich komisch an, aber nun wird er Korrektur gelesen, und zwar von jemandem, der sich freundlicherweise angeboten hat, der mir aber nicht zu nahe steht. Damit er nicht zu wohlwollend ist.

Er ist Lehrer. Lehrer können so was. Furcht macht sich breit vor dem Rotstift, wie früher in der Schule.

Ich bin gespannt, was er sagt, wo er meckert, was er streicht.

Es geht voran! Jetzt habe ich mir ein Glas Wein verdient.

Ihre und Eure Georgia Fröhling
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