Sonntag, 13. Januar 2013

Ich will schäumen!

Achtung, dies ist ein Plädoyer für mehr Leidenschaft im Alltag. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass viele alltägliche Dinge, die Grund zur Freude wären, "mal eben so" übergangen werden, wenn wir Pech haben, noch mit irgendeiner dämlichen Moral im Gepäck. Brrr....

Als Beispiel:
Ich habe mir beim Friseur ein sündhaft teures Shampoo gekauft. Es macht wirklich schöne Haare. Als ich die Flasche entgegennehmen wollte, hielt der Maestro sie zurück. Er schaute mich eindringlich an, als wollte er mir einen Heiratsantrag machen. Dann sagte er: "Von diesem Shampoo brauchst du nur ganz wenig, eine winzige Menge sozusagen. Möglicherweise schäumt es nicht, aber das macht nichts. Die Haare werden trotzdem sauber. Wenn nicht, dann wasch sie noch einmal mit einer WINZIGEN Menge. Verstanden?" Ein weiterer stechender Blick, bestätigendes Nicken meinerseits, und die Flasche wechselte gegen 17 Euro in meinen Besitz über.

Zwei Tage später wende ich es an. Eine winzige Menge. Es schäumt nicht. Beim Waschen fühlen sich die Haare nicht sauber an. Ich wasche sie noch einmal. Es schäumte nicht. Sauber werden sie wohl sein, dachte ich, aber sexy ist das nicht.
Wieder zwei Tage später fühle ich mich rebellisch und nehme mehr. Deutlich mehr. Sch... auf 17 Euro. Es schäumt. Ganz wunderbar. Luftige Schaumwölkchen erheben sich über meinem Kopf, schweben auf die Wasseroberfläche zu und tanzen einen kleinen Reigen. Fluffig und duftig. Ich spüle die Haare aus... sexy! Das Shampoo hielt trotzdem ein halbes Jahr.

Seitdem überdenke ich derartige Anweisungen akribisch. Folgendes habe ich festgestellt:

- Leberwurst muss verdammt dick aufs Brötchen, damit sie schmeckt. Die Zähne gleiten durch eine dicke Schicht köstlicher, kühler Leberwurst, bevor sie auf das knusprige, noch warme Brötchen treffen und der Geschmack im Mund explodiert. Na, Hunger? Dicke Leberwurst ist sexy, dünne Leberwurst macht angeblich schlank. Ich glaube nicht.
- Als Kind wurde ich mal von den Eltern einer Freundin dafür gerügt, dass ich dick Rübenkraut aufs Brot geschmiert habe, und zwar mit den Worten: "Das macht man nicht. Das ist egoistisch. Man kratzt das aufs Brot." Ich war zehn Jahre alt. Ich bin aufgestanden, habe den Tisch und das Haus der Freundin verlassen und bin ohne ein Wort nach Hause gegangen. Ich habe es natürlich meiner Mutter erzählt. Ihr Kommentar ist mir entfallen, beinhaltete aber vermutlich das Wort "Spießer".
- Das gleiche gilt für Schimmelkäse. Dick, cremig, üppig. Nichts da mit light. Ach ja, ich esse gern.
- In einen herrlichen Strauß Rosen muss man die Nase stecken, schnuppern, um mit einem breiten Grinsen wieder aufzutauchen und sich zu bedanken. Ein säuerliches "Das wäre doch nicht nötig gewesen..." ist erwachsen, aber ebenfalls unsexy.
- Ben Stillers Klowitze mögen nicht damenhaft sein, aber es gibt nur wenige Dinge, die mich so zum lachen bringen. Ach ja, lachen. Ich bin mal aus einem schottischen Restaurant geflogen, weil ich einen Lachanfall bekommen habe. Man war sich nicht zu schade, Geld für das überteuerte Essen und das Bier zu nehmen, aber lachen durfte man dort nicht. Ich habe kurz überlegt, mir Vorwürfe zu machen. Dann kam ich zu dem Schluss, dass die Bedienung einen Fisch im Hintern hatte.

Leute, bitte, genießt dieses verdammte Leben doch! Klar, aufregen gehört auch dazu. Dann aber bitte einmal richtig.
Freuen gehört auch dazu. Über das Kompliment. Die Blumen. Die mitgebrachte CD. Ein Exfreund hat mich doch tatsächlich mal entrüstet gefragt: Was freust du dich eigentlich immer so? Fisch, siehe oben.
Wenn der Liebesroman großartig war, warum nicht mal dem Autor eine E-Mail schicken? Oder einen Brief. Habe ich mal gemacht. Die Reaktion war erstaunlich. Die Dame war in USA eine Berühmtheit. In ihrer Antwort schrieb sie: Ich habe mich so über deinen Brief gefreut. Als Autor sitzt man oft vor der Wand und weiß überhaupt nicht, wie das Geschriebene ankommt. Danke!

Uff, so viele Worte... aber ich denke, die Botschaft ist angekommen. Ich will schäumen.
Wer schäumt mit?

Ihre und Eure Georgia